Eine wissenschaftliche Zusammenfassung aktueller Studien über Trainings-Empfehlungen, den gesundheitlichen Nutzen von Fitnesstraining und Risken im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung und deren Verlauf.
„Auch in Zeiten des Corona-Lockdowns sei sportliche Bewegung wichtig“, schreibt die WHO in ihren neuen Richtlinien zu körperlichen Aktivitäten: „Jede Bewegung zählt“, so WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Erwachsenen empfiehlt die WHO mindestens 2,5 bis 5 Stunden Bewegung pro Woche. Dies sind rechnerisch 21 Minuten pro Tag. Gleiches gilt für über 65jährige Menschen, die mit chronischen Krankheiten oder Einschränkungen leben. An mindestens 3 Tagen in der Woche sollten sie Gleichgewicht, Koordination und Krafttraining betreiben, um Stürze zu vermeiden.
„Einen zusätzlichen Gesundheitseffekt für Erwachsene liefert ein Training der Muskulatur an mindestens zwei Tagen in der Woche“, führt die WHO weiters aus.
Kinder und Jugendliche sollten sich sogar 60 Minuten täglich bewegen. Im Idealfall sollten sie 3 mal pro Woche intensives Training absolvieren.
Regelmäßiges Training trägt dazu bei, Herzkrankheiten, Diabetes Typ II und Krebs vorzubeugen. Weiters können Symptome wie Depressionen und Angst gemildert und ein Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit verlangsamt und das Gedächtnis verbessert werden.
Mehr und mehr Studien legen nahe, dass ein Widerstandstraining mit Gewichten zum Erhalt der Muskulatur mindestens genauso wichtig ist, wie Laufen, Radfahren oder andere Ausdauersportarten. Regelmäßiges Krafttraining steht in Verbindung mit einem geringeren Risiko für Diabetes, Rücken- und Gelenksproblemen, Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Laut einer australischen Studie der Universität von Southern Queensland mit 280.600 Datensätzen folgen dieser Empfehlung in allen EU-Mitgliedsländern aber nur die Wenigsten. Gerade einmal 17,3% der Befragten gaben an, zwei oder mehr Tage pro Woche Krafttraining zu absolvieren.
Laut WHO bewegt sich 1 von 4 Erwachsenen zu wenig und 4 von 5 Heranwachsenden.
Auszug aus den Empfehlungen der WHO:
Sport ist wie eine Impfung für das Immunsystem. So lautet das Ergebnis einer Studie an der Sporthochschule Köln. Schützt Sport daher auch vor Corona?
An der Sporthochschule Köln wurde geforscht, inwieweit sich Sport und Bewegung positiv auf die Immunabwehr auswirken. Das Ergebnis lautet: Sport ist wie eine Impfung für das Immunsystem. „Sportlich aktive Menschen sind daher auch vor einer Corona-Erkrankung besser geschützt“, sagt Leonard Fraunberger, Internist, Kardiologe und Sportmediziner am Department für Sportwissenschaft und Sport an der Universität Erlangen-Nürnberg und Vizepräsident des Bayrischen Sportärzteverbandes. Bereits mäßiges Training unterstützt das Immunsystem, der Körper wird besser durchblutet, die Zahl der weißen Blutkörperchen steigt und die Abwehrkräfte werden gestärkt.
Sport trainiert nicht nur die Muskeln, sondern auch das Immunsystem. Denn bei körperlicher Belastung steigt die Zellzahl der weißen Blutkörperchen, insbesondere der schnellen Abwehrzellen (Fresszellen, Makrophagen, Granulozyten). Außerdem werden mehr Abwehrstoffe (Zytokinen, Prostaglandinen) freigesetzt. Andere, am Immunsystem beteiligte Systeme, wie Milz und Lymphknoten, werden besser durchblutet und damit in ihrer Leistung gesteigert. „Für den Körper bedeutet Sport daher einen zeitlich begrenzten Stress, aber Stress im positiven Sinne, denn der Körper lernt damit umzugehen und ist gut vorbereitet, wenn Infektionen drohen„, so Fraunberger.
Die COVID-19-Infektion kann uns alle treffen. Wir haben es mit einem hochinfektiösen Virus zu tun, das sehr leicht übertragen werden kann, weil es sich in den oberen Luftwegen ansiedelt und dort proliferiert. Maßnahmen wie soziale Kontaktbeschränkungen sind wichtig, um die Infektionswelle abzuflachen und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, aber sie werden uns wahrscheinlich nicht vor dem Risiko einer Infektion schützen, sondern eher den Zeitpunkt des Geschehens hinauszögern. Sollten wir uns trotz aller Maßnahmen infizieren, dann ist es eminent wichtig, gesundheitlich und in Bezug auf körperliche Fitness auf einem optimalen Niveau zu sein.
Bereits mäßiges Training unterstützt das Immunsystem und steigert nachweislich die Anzahl und Funktion der entzündungshemmenden Immunzellen, die sogenannten regulatorischen T-Zellen im Blut. Diese sind einerseits wichtig, um die Erreger (Covid19-Viren) zu eliminieren und andererseits eine überschießende Immunantwort zu verhindern. Denn gerade diese überschießende Antwort unseres Immunsystems ist es, die unseren Organismus überlastet und zum Versagen bringen kann.
Es zeigt sich, dass gerade älteren Personen ihre T-Zellen des Immunsystems nicht mehr so effektiv aktivieren können. Daher ist es umso wichtiger, dass wir unser Immunsystem „trainieren“ und damit „fit“ halten. Aber nicht nur das Immunsystem ist wichtig, um eine Infektion zu überstehen. Herz, Gefäße und Lunge werden dabei in hohem oder höchstem Maß belastet, daher sind Patienten mit Vorerkrankungen dieser Organsysteme besonders gefährdet.
Auch wenn eine definitive Erklärung hierfür noch aussteht, so ist doch der arteriellen Hypertonie, Typ-2-Diabetes mellitus und der Herzinsuffizienz gemeinsam, dass sie alle zu einer Versteifung oder Funktionsstörung des linken Ventrikels führen. Die Muskelmasse nimmt bei längerem Liegen etwa 20 Prozent pro Woche ab: Menschen mit wenig Muskelmasse und schlechter Funktionsfähigkeit der Organsysteme sind besonders gefährdet, so die Kernaussagen von Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Prof. Dr. Martin Halle, Prof. Dr. Jürgen M. Steinacker veröffentlicht im German Journal of Sports Medizine.
Fettleibigkeit und Übergewicht sind nicht nur ungesund, sie fördern auch Krankheiten. US-Forscher zufolge sind stark fettleibige Personen hochgradig gefährdet für schwere Corona-Komplikationen.
Adipöse und Übergewichtige haben ein höheres Risiko, beatmet zu werden und auch zu sterben, so das Ergebnis einer Studie des Universitätsklinikums in Dallas (Texas).
Für die Studie analysierten die Mediziner Daten von mehr als 7.600 Patienten aus 88 US-Krankenhäusern im Alter von 50 Jahren und darunter. Die überwiegende Mehrheit (85 Prozent) der in die Krankenhäuser eingewiesenen Patienten war entweder übergewichtig oder adipös (fettleibig). Das Risiko so krank zu sein, dass eine Beatmung benötig wurde, stieg proportional zum Übergewicht, erklärt Dr. Justin Grodin von der Universitätsklinik Dallas. Zudem sei die Notwendigkeit einer Nierendialyse und die Wahrscheinlichkeit für Blutgerinnsel in tiefen Venen und in der Lunge gestiegen.
„Es gibt kein Medikament und keine andere Maßnahme, die auch nur annähernd die Wirkungsbreite hat, die das Muskeltraining zeigt“ erklärt auch Prof. Dr. Med. Elke Zimmermann von der Universität in Bielefeld in einem Interview.
Die Studie erklärt nicht warum die Adipositas die Ergebnisse verschlechtert. Vermutungen zufolge sei Adipositas mit Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes verbunden, die sich nachweislich negativ auf eine Corona-Erkrankung auswirken. Zudem benötig das Coronavirus ein Enzym namens ACE2, um in die menschliche Zelle einzudringen. Dieses sei den Forschern zufolge reichlich im Fettgewebe vorhanden. Weiters erschwert das Gewicht auch die Atmung.
Nach einer Prognose des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforscher könnte im Jahr 2050 fast die Hälfte der Weltbevölkerung (45%) übergewichtig sein.
Aus diesem Anlass wird regierungsseitig in Ländern wie Großbritanien und in der Schweiz vermehrt darüber diskutiert, Programme zur Verringerung oder Vermeidung von Übergewicht anzubieten und zu fördern.
„Es gibt kein Medikament und keine andere Maßnahme, die auch nur annähernd die Wirkungsbreite hat, die das Muskeltraining zeigt“ erklärt auch Prof. Dr. Med. Elke Zimmermann von der Universität in Bielefeld in einem Interview.
Laut WHO bindet Bewegungsmangel 54 Milliarden Dollar (45 Milliarden Euro) durch direkte Gesundheitskosten und weitere 14 Milliarden Dollar (11,7 Milliarden Euro) durch Produktivitätsverlust.
Fitnesstraining könnte demnach ein Teil der Lösung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sein. Alle Experten sind sich einig, dass ein moderates Ausdauertraining und gezieltes Muskeltraining das Immunsystem und die Abwehrkräfte des Körpers stärrken, die Grundlage zur Bewältigung des privaten und sportlichen Alltags ist, das Verletzungsrisiko minimiert und somit ein wesentlicher unverzichtbarer Baustein in der Vorbeugung von Volkskrankheiten ist.
Ein Großteil der Mitglieder von Fitnessclub ist über 50, 60, 70 und mehr Jahre. Sie wollen durch Ihr Training ein aktives, selbstbestimmtes Leben führen und einen aktiven Schutz gegen das Pflegeheim bewirken. Das ist ihnen im Zuge des Lockdowns genommen worden. Weiters trainieren viele Menschen, die das Training dringend benötigen, um Ihren Alltag schmerzfrei zu bewältigen. Diese Personengruppe benötigt ein richtig abgestimmtes Training und ist ohne Fitnessstudio ohne nennenswerte Alternativen.
Copyright © Martin Wirth – Branchensprecher der steirischen Fitnessbetriebe
Fiona C Bull et. al., WHO, (2020) Guidelines on physical activity and sedentary behaviour
Prof. Dr. Wilhelm Bloch – Abteilung Molekulare und zelluläre Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln, Prof. Dr. Martin Halle – Abteilung Präventive und Rehabilitative Sportmedizin, Technische Universität München, Prof. Dr. Jürgen M. Steinacker – Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Universitätsklinikum Ulm, German journal of sports medicine 71 4, (2020), Sport in Zeiten von Corona
Dr. Justin Grodin, Universitätsklinik Dallas (2020), Circulation Volume 143, Issue 212 (2021), Association of Body Mass Index and Age With Morbidity and Mortality in Patients Hospitalized With COVID-19:
Prof. Dr. Wilhelm Bloch – Sporthochschule Köln, (2020), Journal of Allergy and Clinical Immunology , Sport wirkt entzündungshemmend
Dr. Leonhard Frauenberger, Vizepräsident des bayrischen Sportärzteverbandes
Prof. Dr. med. Elke Zimmermann – Universität Bielefeld
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